Süsses vom Band

Er braucht sich nie um ein Valentinstag-Geschenk für seine Frau zu sorgen: als Mitarbeiter der Schokoladenmanufaktur Aeschbach wird Samuel Bischof jederzeit an seinem Arbeitsort fündig.

Eine Reportage von Edda Ganitta, Paula Schmitt und Svenja Tomczak 

Aeschbach AG

Wenn man bei der Station “Root”, einige Minuten S-Bahn-Fahrt vom Luzerner Stadtzentrum entfernt, aussteigt, sticht einem sofort ein grosses, schwarz-orangefarbenes Gebäude ins Auge: die Aeschbach AG. Das Gebäude beherbergt neben einem Café und einem kleinen Museum auch die üblichen Bestandteile einer Manufaktur: Büro-, Lager- und Produktionsräume. Im Inneren des unscheinbaren Blocks entstehen durch sorgfältige Arbeit diverse Pralinen und Schoggi-Taler. Die Aeschbach AG zählt 120 Mitarbeitende, 60 in der Produktion, 40 im Vertrieb und 20 im Management. Rund 350 Tonnen Schokolade werden hier jährlich verarbeitet. 

Das Unternehmen Aeschbach Chocolatier wurde 1972 von Charles Aeschbach gegründet. Zuvor arbeitete er bei Wodey Suchard in Neuchâtel und stellte fest, dass sich immer weniger Betriebe auf die aufwändige Pralinenherstellung konzentrieren wollten. Also entschloss sich Aeschbach, in diese Branche einzusteigen und machte sich selbstständig. Er zog in die Stadt Zug und entwickelte einige Pralinen-Kreationen, aber nicht in einer Manufaktur, sondern in seiner Scheune. Vier Jahre später, 1976, waren die ersten zehn Produkte bereits auf dem Markt, und Aeschbachs’ Frau Erika eröffnete den ersten Laden in der Zuger Altstadt. 2003 übernahm der Sohn Markus Aeschbach den Betrieb und verlegte ihn 2012 nach Root, um die Produktion zu erweitern. Das Familienunternehmen besteht nun schon seit über 50 Jahren und wird wohl noch lange leckere Pralinen und schmuckvolle Osterhasen herstellen. 

Die Aeschbach AG in Root (Foto: Edda Ganitta) 

Samuel Bischof

Für Samuel Bischof ist der ständige Geruch von Schokolade am Arbeitsplatz Normalität. Auch die vielen verschiedenen Pralinen, die im Aufenthaltsraum des Bürotrackts herumliegen, gehören für ihn zum Alltag. Er arbeitet nun seit einigen Jahren als Qualitätsmanager bei Aeschbach. Zu seinen Aufgaben gehören vor allem die Sicherstellung der Qualität und Normen, die sich die Unternehmensführung zum Ziel gesetzt hat.  

“Ich arbeite sehr gerne mit Schokolade, es ist ein Produkt, das fast jeder mag.”
Samuel Bischof, Qualitätsmanager

Bischof überwacht die verschiedenen Prozesse, die die Qualitätssicherung ausmachen, sowohl in optischer als auch in mikrobiologischer Hinsicht. Er sorgt also dafür, dass keine Produkte auf den Markt kommen, die durch Fehler gekennzeichnet sind. Dazu gehören beispielsweise Schönheitsfehler oder mit Krankheitserregern infizierte Produkte. Er ist ausserdem für die Bearbeitung aller Reklamationen zuständig, die an die Firma gelangen. Bischof hat die 3-jährige Lehre zum Lebensmitteltechnologen absolviert und später berufsbegleitend Lebensmitteltechnologie studiert. Das sei sicher von Vorteil für den Job, erläutert er.  

Aeschbachs Qualitätsmanager: Samuel Bischof vor einem der Produktionsräume (Foto: Edda Ganitta)

Schokolade sei ein Produkt, das viele mögen. Es gefalle ihm damit zu arbeiten. Bischof erzählt auch, dass MitarbeiterInnen in ihrem Betrieb während der Arbeit unlimitierten Zugriff auf ihre Produkte haben. Wir konnten uns selbst davon überzeugen.

Willkommen im Schokoladenparadies 

Beim Betreten des Gebäudes steigt einem der süsse Schokoladengeruch direkt in die Nase. Im Eingangsbereich befindet sich ein kleiner Laden, bestückt mit Pralinen und anderen Produkten frisch aus der Manufaktur. Vom benachbarten Café aus kann man durch eine Scheibe direkt in einen grossen Raum mit vielen Maschinen sehen. Dort werden die Pralinen hergestellt. Ins Auge sticht sofort die breite, mit Kakaobohnen und anderweitig passenden Symbolen geschmückte Treppe. Diese führt hoch ins kleine Museum, die Chocowelt. Dort treffen wir Samuel Bischof, der uns begrüsst und uns zunächst in die Büroabteilung führt. In der Produktion ist passende Arbeitskleidung Vorschrift. Bischof verteilt uns Einwegkleidung und Hauben, um die Haare zu bedecken und macht darauf aufmerksam, jeglichen Schmuck abzunehmen. Vor dem Betreten der Manufaktur müssen die Hände gründlich mit Seife und Desinfektionsmittel gewaschen werden. Auch Kaugummis sind nicht erlaubt. Mit der Öffnung der nächsten Tür kommt uns ein kühler Luftstrom entgegen.  

Fair, schmackhaft und preiswert – ein schwieriges Ziel 

Damit sich ein Lebensmitte-Unternehmen mit einem Fairtrade-Zertifikat auszeichnen kann, muss es sich einem Prüfverfahren unterziehen, so auch die Aeschbach Chocolatier. Dies geschieht bei sogenannten Zertifizierungsstellen wie der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS), woher auch Aeschbach ein Teil seiner Zertifikate bezieht. Mit Fairtrade-Zertifikaten möchte man in erster Linie die Armut in den Kakaoanbau-Ländern bekämpfen, indem man beispielsweise die Anzahl der Arbeitsstunden begrenzt, angemessene Löhne bezahlt und einen sicheren Arbeitsplatz garantiert. Die Richtlinien, deren Einhaltung es erlaubt, ein bestimmtes Label zu führen, muss man sich wie Gesetze vorstellen. Die Einhaltung dieser Richtlinien wird regelmässig kontrolliert. Bei Fairtrade-Zertifizierungen muss ein bestimmter Anteil der Rohstoffe dem Prüfverfahren unterworfen werden, damit das Produkt als «Fairtrade-Produkt» bezeichnet werden darf. Der Gesamtanteil der Fairtrade-Zutaten muss allerdings mehr als 20% betragen. Anders als das Label “Fairtrade Kakao”, dort bezieht sich die Zertifizierung ausschliesslich auf den Kakao.  

Auch wenn die Aeschbach AG im Grundsatz auf eine Fairtrade-Zertifizierung setzt, sind bei ihr längst nicht alle Zutaten fair gehandelt. Denn Fairtrade ist mit Kosten verbunden: Eine Zertifizierung kostet Geld, und die Umsetzung verursacht Aufwand. Der Preis eines Fairtrade-Produktes ist deshalb deutlich höher. Aeschbach Chocolatier besitzt das entsprechende Zertifikat zur Produktion von Fairtrade-Schokolade, setzt dieses aber nur bei Kunden ein, die sich ein fair gehandeltes Produkt wünschen. Es wäre viel zu teuer, alle Produkte zu zertifizieren. Wie Aeschbach Chocolatier, geht es vielen Unternehmen in der Schweiz: fair gehandelte Zutaten sind letztendlich eine Kostenfrage. Die ProduzentInnen müssen die richtige Zielgruppe finden, die bereit sind den Preis zu zahlen, um trotz der hohen Kosten noch genug Profit machen zu können. 

«Wenn der Konsument die volle Gewissheit haben will, dass alles Fairtrade gehandelt wurde, müsste er eine eigene Plantage besitzen, die Schokolade selbst verarbeiten, sie nach Europa transportieren und dort weiterverarbeiten.» 
Samuel Bischof, Qualitätsmanager 

Als KäuferIn einer zertifizierten Schokolade erwartet man auch die entsprechenden Qualitätsstandards, die das Label versprechen. Leider gibt es immer wieder Lücken. Bei etwa 14 Millionen Kakaobauern und -bäuerinnen weltweit ist es für die Kontrollstellen unglaublich schwierig, jede einzelne Plantage zu kontrollieren. Einzelne werden daher entweder gar nicht oder nur unzureichend kontrolliert. Es besteht immer das Risiko, dass nicht nach fairen Kriterien gearbeitet wird. Aufgrund der vielen verschiedenen Schritte, die die Schokoladenproduktion beinhaltet, kann sich der Konsument nie zu hundert Prozent bezüglich der Echtheit der Zertifikate sicher sein. Der Konsument müsse für die volle Sicherheit des Zertifikats eine eigene Kakaoplantage besitzen. Er müsse die Schokolade selbst verarbeiten, sie nach Europa importieren und dort weiterverarbeiten, klärt uns Samuel Bischof auf.  

Hinter den Fassaden

Im kühlen Lagerraum werden sowohl Rohstoffe und Fertigfabrikate als auch Lebensmittel fürs Café gelagert. Die grosse Halle wird durch den nahe gelegenen Fluss kühl gehalten und verbraucht deshalb keine Heiz- und Kühlenergie. Beim Öffnen der nächsten Tür kommt uns ganz unerwartet warme Luft entgegen, und es riecht erneut stark nach Schokolade. Im Raum befinden sich vier Tanks mit flüssiger Schokolade, zwei mit Milch- und jeweils ein Tank mit weisser sowie dunkler Schokolade. Der Weg geht weiter. Im nächsten Raum begrüsst Bischof die MitarbeiterInnen freundlich, und sie grüssen zurück. Hier werden Schokoladenhasen von Hand geschminkt, womit das “Anmalen” der Hohlformen mit verschiedenen Schokoladen-Farben gemeint ist. Die Hohlformen werden anschliessend noch immer zu 95% per Hand gegossen, da eine Maschine zu wenig präzise arbeitet. Hier darf man nun auch mal etwas probieren: Schokotaler direkt vom Laufband - und sie schmecken herrlich!

Flüssigschokolade in Tanks gelagert (Foto: Edda Ganitta) 

 

Herstellung des Gaumenschmauses 

Aeschbach stellt die Schokolade nicht von Grund auf selbst her, die Firma sendet ihre Rezepturen zu auserlesenen Schweizer Produzenten und bekommt dann die fertige Flüssigschokolade geliefert. Bei Aeschbach wird sie dann in grossen Tanks gelagert und ständig warmgehalten. Zur Weiterverarbeitung wird sie abgekühlt. Bei der sogenannten “Temperierung” stellt man sicher, dass die Schokolade gut aus den Formen gelöst werden kann und ein schöner Bruch und Glanz entsteht. Nebst den Eigenschaften sollte auch das Äussere der Schokolade stimmen. Die Kakaobutter kann sechs verschiedene Kristallformen bilden, doch nur eine von ihnen führt zu den herkömmlichen Eigenschaften von Schokolade. Wenn eine der anderen Kristallformen gebildet wird, wird die Schokolade grau, was man vermeiden möchte. Die Temperierung ist also ein wichtiger Schritt der Herstellung. Anschliessend wird die auf etwa 30 Grad runtergekühlte Schokolade auf einem Band ausgebreitet. Es entsteht ein Schokoladenteppich. Auf dem 20 Meter langen Fliessband fliesst die Schokolade in den nächsten Raum.   

Schokoladenteppich: Hier wird die flüssige Schokolade auf dem Band verteilt. (Foto: Edda Ganitta) 

Die inzwischen feste Schokolade wird nun in kleine Schokoladenwürfelchen geschnitten und in weiteren Produktionsräumen der Aeschbach AG weiter genutzt oder an BäckerInnen verkauft. Die kleinen Schokoladenstücke können wieder aufgewärmt und individuell weiterverarbeitet werden. Bei Aeschbach wird die Schokolade jetzt zu den verschiedensten Produkten verarbeitet: Pralinen, Schokoladentafeln, Ostereier, Schokohasen, Weihnachtsmänner - Aeschbach hat ein riesiges Sortiment! Für Pralinen ist genaueste Handarbeit gefragt; alle Pralinensorten werden sorgfältig von Hand verziert und dekoriert. Anschliessend wird das Produkt kontrolliert, indem es zum Beispiel auf das passende Gewicht geprüft wird. Schlussendlich wird das Produkt verpackt und gleich im eigenen Laden verkauft oder weiter in die Schweiz versendet. 

 Unlimitiertes Angebot 

Die nächste Halle, in die uns unser kleines Abenteuer führt, ist das Herzstück der Anlage, denn hier werden die Pralinen fabriziert. Gerade entsteht eine neue Sorte: Eine Praline mit zweifacher Füllung! Die MitarbeiterInnen kosten ab und zu von den Kreationen. Ob sie das überhaupt dürfen? “Die Mitarbeitenden in unserem Betrieb dürfen jederzeit von den Produkten kosten”, erzählt Samuel Bischof. Am Ende des Raumes befindet sich ein Gestell, beladen mit diversen Pralinen. Hierbei handelt es sich um Ausschussware. “Bedient euch gerne”, meint Bischof. Am Ende des Rundganges tritt man in das kleine Museum ein. Die Wände sind schön mit Kakaobohnen und Pflanzen dekoriert. Durch riesige Fenster kann man einen Blick in die grossen Produktionsräume werfen. Feste Schokolade schmeckt gut, doch was schmeckt noch besser? Genau, flüssige Schokolade! Hier im Museum stehen mehrere Schokobrunnen, bereit, von den BesucherInnen geleert zu werden. 

Auszug aus dem Interview mit Samuel Bischof, Qualitätsmanager

Welche Regeln gelten in der Produktion? 

Bei uns gelten Hygienerichtlinien und gesetzliche Bestimmungen, die einzuhalten sind. Dazu gehören Themen wie Mobbing, sexuelle Belästigungen und Ähnliches. Das müssen wir auf dem Schirm haben. 

Wie sehen die Hygienerichtlinien konkret aus? 

Das habt ihr vorhin selbst mitbekommen: Ihr müsst die Hände waschen, bevor ihr in die Produktion geht, die Haare müssen sich unter der Kopfbedeckung befinden, ihr habt Arbeitskleidung bekommen: Man kann natürlich nicht mit der normalen Strassenkleidung arbeiten. Auch spezielle Schuhe sind für unsere Mitarbeitenden vorgeschrieben, Kaugummis sind verboten... Es gibt X Richtlinien, an denen wir uns orientieren, damit wir ein möglichst sicheres Produkt herstellen können. 

Wie gehen Sie vor, wenn sie merken, dass die Produkte nicht mehr den Qualitätsanforderungen entsprechen? 

Es gibt verschiedene Ausgangslagen. Zum einen können wir von einem optischen Fehler sprechen, da ist es möglich, dass wir die Produkte reworken und z.B. nachnehmen - den Rohstoff also nochmal durch die einzelnen Produktionsschritte laufen lassen - und so die Schokolade in eine neue Füllung oder in ein neues Produkt umwandeln. Dann gibt es mikrobiologische Probleme, die uns die Produkte bereiten können, da ist es natürlich nicht erlaubt, diese nachzunehmen und sie werden entsorgt. 

Welche Qualitätskontrollen werden während der Herstellung durchgeführt? 

Zum einen gibt es die Gewichtskontrolle, die ist schon mal essenziell. Wir haben auch Metalldetektoren für verschiedene Produkte definiert, um sicherzustellen, dass keines davon mit Metall kontaminiert ist. Zudem machen wir ein Salmonellen-Monitoring, um sicherzustellen, dass wir keinen Eintrag von Salmonellen auf irgendeiner Ebene haben. Dann führen wir mikrobiologische- und Rohstoffanalysen durch, alles Tätigkeiten, um die Qualität sicherzustellen. 

Gewinnung der Schokolade

Die Gewinnung von Schokolade startet meist in Ländern im Süden und Westen Afrikas sowie in Teilen Südamerikas. Dort wird die Kakaobohne aus der Frucht des Kakaobaums gewonnen. In einer Frucht befindet sich ungefähr 40-50 Kakaobohnen. Dies ist auch ungefähr der benötigte Anteil zur Herstellung einer Schokoladentafel. Eine Frucht ergibt also eine Tafel. Da die Bohnen aber anfangs noch in weisses Fruchtfleisch eingepackt sind und bitter schmecken, erfolgt nach der Ernte ein langer Prozess, währenddessen sich nach und nach das so typische Aroma der Bohne entfaltet. Nach der Ernte werden die Kakaobohnen auf grossen Planen oder Bananenblättern ausgebreitet und es beginnt ein Prozess, der sich Fermentation nennt. Während der Fermentation beginnen die Bohnen aufgrund des hohen Zuckeranteils des Fruchtfleischs und der Einwirkung des Sonnenlichts zu gären. Das weisse Fleisch wird zersetzt, der bittere Geschmack verschwindet. Anschliessend werden die Bohnen getrocknet und geröstet - dies entfaltet den schokoladigen Geschmack. Nach der Röstung werden die Bohnen zerkleinert und die Schale wird entfernt. Durch sehr langes Durchmischen der gemahlenen Bohnen erwärmt sich die Masse und darauffolgendes Pressen der sogenannten Kakaonibs führt zum Austritt der Kakaobutter. Nach und nach entsteht eine flüssige Mischung. Dieser Prozess dauert lange, zwischen 16 und 96 Stunden. Da die Masse nach diesem Prozess allerdings immer noch nicht fein genug ist, gelangt sie in einem nächsten Schritt zusammen mit den restlichen Zutaten wie Zucker und Milchpulver in ein Walzwerk, wo sie nun auf kleinste Partikel reduziert wird. Nach diesem Schritt ist die Masse nun nicht mehr flüssig, sondern trocken und bröselig und muss unter Rühren erwärmt werden, damit sie die übliche Konsistenz beibehält. Dieser Prozess wird Conchieren genannt und dauert üblicherweise 24 Stunden. Die Qualität der Schokolade hängt von einer korrekten und genügend langen Ausführung dieses Schritts ab. Und fertig ist die Schokoladenmasse. Bereit, weiterverarbeitet zu werden, in Betrieben wie der Aeschbach AG.